Freitag, März 28, 2014

Blog Nr. 400: Interview mit Oswald Menninger, Geschäftsführer des Paritätischen Landesverbandes in Berlin

Die Bedeutung des Ehrenamtes im Paritätischen in Berlin

Unser Ehrenamts-Blog schreibt seinen 400sten Beitrag. Wir haben viele Themen beleuchtet, viele Facetten von Ehrenamt vorstellen können. Zum Jubiläum treffe ich auf Oswald Menninger, den Geschäftsführer des PARITÄTISCHEN Landesverbandes Berlin e.V., welcher um die 700 Mitgliedsorganisationen in Berlin in seiner Mitgliedschaft hat und somit verbindet. Ich frage ihn nach seinen langjährigen Erfahrungen und nach der Bedeutung des Ehrenamtes für den Verband. Und es wird eine Reise zu den Herzen, zu den Wurzeln und zu den Hoffnungen. Aber lesen Sie selbst:

Welche Geschichten fallen Ihnen ein, wenn Sie an sich in Ihre Arbeit hier beim Paritätischen und das Thema Ehrenamt denken? Was hat Sie beeinflusst?
Ich komme ja aus einer Tradition der „Nach68er“ und bin dementsprechend politisiert worden. Daher waren miröffentliche Auszeichnungen oder Ehrungen vollkommen suspekt. Als ich dann hier im Verband praktisch erlebte, wie wichtig es für die Menschen ist, dass wir sie ehren und wahrnehmen für das was sie tun, habe ich mein Bild über diese Anerkennungen radikal geändert: heute finde ich diese Veranstaltungen toll und wir fördern das ausdrücklich. Unser Verband gibt unter anderem einen jährlichen Ehrenamtsbruch für 100 Ehrenamtliche, die Stimmung dort ist immer besonders schön. Bei einer ähnlichen Gelegenheit habe ich einmal eine beeindruckende Dame kennengelernt. Sie war damals um die 90Jahre alt und wir hatten ein so anregendes Gespräch – sie ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Die Menschen sind das Beeindruckende am Ehrenamt.

Ja, Anerkennung ist ein ganz großes Thema – die gemeinsame Arbeit von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen ein anderes.Aus meiner Erfahrung gab und gibt es da immer wieder Schwierigkeiten, erlebten Sie das auch so?
Als wir im Verband  Mitte/Ende der 90er Jahre wieder angefangen haben, das Ehrenamt systematisch zu fördern und als genuinen Bestandteil  wohlfahrtspflegerischer Arbeit anzusehen, hat es viele kontroverse Diskussionen gegeben. Vor allem Hauptamtliche haben hinter der der Zielsetzung das Ehrenamt wieder zu pflegen, dem BürgerschaftlichenEngagement wieder zu seiner ursprünglichen Bedeutung zu verhelfen, eine neoliberale Sozialstaatsstrategie wahrgenommen, die dazu führen soll, dass professionelle Arbeit wieder von Ehrenamtlichen übernommen werden soll,um den Staat zu entlasten. Ja, das Land war und ist tatsächlich enorm überschuldet und wir hatten deshalb schwierigeDebatten. Ich habe aber immer dagegen gehalten mit dem Argument: Ehrenamt kann nie Ersatz für professionelle Dienstleistungen sein. Aber ich will nicht in einer Gesellschaft leben in der alle Probleme ausschließlich professionell bewältigt werden.

Menschen sollen ihre Umgebung wahrnehmen und sichumeinander kümmern?
Genau. Ich komme vom Land mit nicht einfachen aber doch recht intakten Strukturen, wo Menschen in der Not füreinander da sind. Das hab ich im Leben selbst für mich praktiziert. So habe ich jahrelang eine alte Frau, als es noch keine Pflegeversicherung gab, die unter mir im Keller wohnteunterstützt. Das war die letzte Kellerbewohnerin in Kreuzberg Ende der 70er Jahre.
Anfangs war es z.B. nur Hilfe beim Einkauf, aber dann wurde sie älter und konnte ihren Haushalt nicht mehr selbst organisieren. Damals war ich Student und für mich war es selbstverständlich, mich regelmäßig um sie zu kümmern, denn es gab noch keine Sozialstationen. Sie wohnte ja unter mir.
Und dieses Bild, dass man für andere Sorge trägt, habe ich auch im Verband verfolgt. Gerade wo doch die Wohlfahrtspflege ihre Wurzeln in der Ehrenamtlichkeit hat und nicht in der Hauptamtlichkeit. So war es mir wichtig, dass beides zusammen funktionieren muss. Professionelle Dienstleitungen und ein Netzwerk an nachbarschaftlicher Unterstützung, an Selbsthilfe damit die Gesellschaft zusammenhält.

Kommt durch Ehrenamt sozusagen wieder die Gesellschaft mit an den Tisch der Professionellen?
Ja. Und das ist wichtig. Es gab immer Menschen, die sich ehrenamtlich um die Lösung von aktuellen Problemen gekümmert haben. Erst ab einem gewissen Punkt kam der Staat auf den Plan und es entstanden professionelle Hilfen. Das letzte große Beispiel dafür war die Pflegeversicherung von 1995, aber so war es auch u.a. bei der Hospizbewegung in den 90ern, in der Behindertenhilfe in den 60er/70er Jahren: die Vorreiter großer Reformen waren engagierte Menschen, die den Staat in die Pflicht genommen haben. Die neuste Entwicklung sind die Schulfördervereine. Hier wird aus einer Problemwahrnehmung heraus durch zunächst engagierte Eltern aber auch durch Lehrer eine Reform vorangebracht. Schulen sollen wieder besser werden und diese notwendigeEntwicklung wird durch Engagement beeinflusst. Solche Beispiele gibt es noch viele.

Ich weiß aus eigener Erfahrungdass es bei solchen Prozessen natürlich zu starken Reibungen kommt. Hier höre ich dann oft, dass die Ansprüche der  Menschen an Qualität enorm gestiegen sind. Die Latte hängt hoch. Und das kollidiertgleichzeitig noch mit dem Fachkräftemangel. Soll uns jetzt das Ehrenamt retten?
Nein das sehe ich anders: das Ehrenamt sorgt dafür, dass wir die Diskurse bekommen in denen die verschiedenen Aspekte der Erwartungen an Einrichtungen der Daseinsvorsorgevernünftig geklärt werden und im Diskurs sinnvolle Regelungen gefunden werden. Wenn der Staat allein mit seinen bürokratischen Lösungsmustern eher einseitige Sichtweisen zum Maßstab nimmt, bietet das Bürgerschaftliche Engagement die Möglichkeit, sich mit diesen Lösungsmustern konstruktiv auseinanderzusetzen, um noch bessere Lösungen zu entwickeln.

Engagement als Realitätsabgleich?
Ja, die Menschen finden dadurch ein Sprachrohr um Ihre Interessen  in der Organisation der Hilfen einbringen zu können. Aus staatlicher und professioneller Sicht ist dasnatürlich anstrengend, weil sich mit mehr Interessenauseinandergesetzt werden muss. Aber sie haben ja auch eine Aufgabe zu erfüllen.

Gesellschaft verändert sich schnell. Organisationen haben mehr und mehr Probleme, wenn sie ihre Vorstandsposten zufriedenstellend besetzen wollen. Wie können soziale Organisationen für die nächste Generation attraktiv bleiben?
Da sehe ich gar nicht so viele Probleme, wenn wir auf dem Weg der Transparenz bleiben. Das ist so eine Art Zauberformel aber auch eine sinnvolle Anforderung an gemeinnützige Organisationen, dass sie das was sie tun auch transparent vermitteln können;  bis hin zur wirtschaftlichen Transparenz. Wenn man sich nicht abschottet, sondern mit dem Umfeld kommuniziert, dann kann man auch immer wieder Menschen finden, die sich dafür interessieren lassen, sich in der jeweiligen Organisation zu engagieren. Wir sollten den Blick aus dem eigenen sozialen Umfeld in andere gesellschaftliche Kreise richten, um dort Menschen zu finden, die bestens für Vorstands- und somit Führungsaufgaben geeignet sind. Im Feld der Wirtschaft sind Menschen, die gut führen können und die heute auch zunehmend bereit sind, sich zu engagieren. Denen müssen wir vermitteln, wie sinnvoll dies ist. Das gibt natürlich auch Konflikte, weil eine gemeinnützige Organisation nicht spiegelbildlich so funktioniert wie einWirtschaftsunternehmen. Ideelle Zwecke müssen erfüllt werden und Geld ist nur Mittel zur Zweckerfüllung und nicht der eigentliche Zweck. Gemeinnützige Organisationen lassen sich auch nicht so einfach hierarchisch führen wie manches Wirtschaftsunternehmen. Da braucht es entsprechende Lern- und Anpassungsprozesse. Dabei können beide Seiten voneinander lernen.

Nimmt die Sehnsucht nach sozialem Engagement in unserer beschleunigten Welt wieder zu? Gerade heute, wo man mit Geld alles kaufen kann, gibt es da wieder das Hin zu den Dingen, die man eben nicht mit Geld bekommen kann?
Sozialen Zusammenhang kann man nicht mit Geld kaufen. Sozialer Zusammenhang entsteht dann, wenn sich Individuen und gesellschaftliche Gruppen aus den Sektoren Staat, Wirtschaft und Non-Profit-Bereich austauschen. Wir arbeiten mit zwei Organisationen zusammen, die in Berlin ein aus England stammendes Konzept verwirklichen, das mittleres Führungspersonal aus allen 3 Sektoren verbindet und sie sich im Rahmen ihres Programms mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen beschäftigen. Wir haben mittlerweile schon über 20 Stipendiaten finanziert, also Teilnehmende an dem Programm aus unseren Mitgliedsorganisationen. Die kommen alle hellauf begeistert zurück. Mir war immer wichtig, dass die abgeschottete Blickrichtung der Wohlfahrtspflege nach außenaufgebrochen und über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut wird. Durch die Einbindung des Ehrenamts in unseren Organisationen folgt eine Öffnung nach außen und die halte ich für eminent wichtig. Und für Menschen außerhalb unseres Sektors ist es wichtig zu erkennen warum, es diese Hilfen braucht, gerade wenn man selbst nicht hilfsbedürftig ist.

Das heißt Ehrenamt bringt menschliche Qualität in die Gesellschaft?
Das würde ich immer unterstreichen. So entsteht doch dergesellschaftliche Zusammenhalt.

Und wenn Ehrenamt so eminent ist, was können wir tun, was die Monetarisierung und somit die stückweise Untergrabung des Bereiches betrifft?
Wir müssen bei dem Grundsatz bleiben: Ehrenamt ist unbezahlte Arbeit.  Ehrenamt ist freiwillig. Natürlich soll Aufwandsentschädigung gezahlt werden, keiner soll für Ehrenamt noch Geld mitbringen müssen. Deswegen machen wir als Verband die Kooperation mit der BVG und S-Bahn, wo in diesem Jahr 12.000 kostenlose Einzelfahrscheine an Ehrenamtliche verteilt werden und über unsere Stiftung stellen wir jährlich 1000 Monatsfahrkarten kostenlos zur Verfügung.Dass aber das Ehrenamt unter der Hand zu bezahlter Tätigkeit wird, lehne ich klar ab. Nichts destotrotz soll es den Bundesfreiwilligendienst geben, wo  Taschengeld gezahlt wird, weil der Dienst nicht das Ehrenamt dominiert sondern einen Randbereich darstellt. Er hat wie das Freiwillige Soziale Jahr andere Zielgruppen und dient anderen Zwecken, wie zum Beispiel der Berufsorientierung. Hier können wir mit einer Teilbezahlung leben. Diese Dienste sind eine Form von gesellschaftlicher Beteiligung, bei denen man sich ja auch verpflichtet zu einer festen Anzahl von Stunden.

Deswegen ist es meiner Meinung nach sehr sinnvoll, diese Form beim Namen zu nennenDienst.
Ich selbst kenne Organisationen, die die „Büchse der Pandora“ geöffnet haben, weil sie Aufwandentschädigung stundenweise abrechnen und nur schwerlich Ehrenamtliche finden, die sich nun ohne Geld engagieren. Da ist auch Konkurrenz um Engagierte im Spiel und Personalnot. Was tun?
Wir müssen als Verband die entsprechenden Differenzierungen durchhalten. Nur von Ehrenamt reden, wenn es echtes Ehrenamt ist und die anderen Formen von Unterstützung nutzen aber nicht vermischen. Ich würde empfehlen, geringfügige Beschäftigung auch als solches zu benennen. Wir empfehlen unseren Einrichtungen, dass wenn sie Geld bezahlen, und das ist nichts illegitimes, diese Leute nicht als Ehrenamtliche führen. Ich denke, gerade ältere Menschen, die von ihrer Rente allein kaum leben können, können sich mit 400€-Jobs sehr hilfreich betätigen und sich damit den Lebensunterhalt aufbessern.

Wenn Sie persönlich mehr Zeit hätten, welches Ehrenamt würden Sie gern ausüben?
Ich habe zwei Bilder im Kopf: ich denke einerseits schon länger drüber nach, mich im Alpenverein zu engagieren. Ich gehe gern Bergwandern und könnte mir vorstellen, auf einer Hütte zum Beispiel eine ganze Saison quasi ehrenamtlich mitzuarbeiten. Oder auf einer Alm zu helfen. Das andere ist die Idee, Kinder für gutes Essen zu begeistern also in Schulen oder Kitas zu kochen. Das könnte ich mir auch gut vorstellen.Aber dazu habe ich im Augenblick leider keine Zeit.

Ich danke herzlich für das  Gespräch.

Beate Häring










Samstag, März 22, 2014

Ehrenamt und Kolping

Kolping Europa hat im Jahre 2011 ein interessantes Papier zum Freiwilligenengagement veröffentlicht. Wir dokumentieren dies im Folgenden:




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Freiwilligenengagement im Kolpingwerk

Die Europäische Union hat 2011 zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit erklärt. Sie will durch die Ausrufung dieses Jahres erreichen, dass sich mehr europäische Bürger im Bereich der Freiwilligenarbeit engagieren, dass staatliche Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement weiter verbessert werden, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich auf Freiwilligenarbeit stützen, gestärkt werden und dass Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft eine größere Anerkennung findet.

Die Bedeutung von Freiwilligenarbeit für den Erhalt und die Funktionsfähigkeit freiheitlicher Gesellschaften ist in den letzten Jahren immer wieder betont worden. Dabei wurde auch deutlich, dass je nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich das Ausmaß und der Umfang von Freiwilligenengagement in den Staaten Europas deutlich unterscheiden und es einer Freiwilligenkultur bedarf, die dem einzelnen Bürger zu ehrenamtlichem Engagement ermutigt und den notwendigen Freiraum für freiwilliges Engagement eröffnet. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind für ein Freiwilligenengagement entscheidend, sondern auch die individuellen Einstellungen und Erwartungen an ein Freiwilligenengagement. Diese Einstellungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Bestand Freiwilligenengagement in der Vergangenheit für viele Menschen in der Bereitschaft, sich in hierarchische Strukturen von Nichtregierungsorganisationen einzubinden und etwa durch Wahl Führungsämter über einen längeren Zeitraum zu übernehmen, so suchen heute Freiwillige oft Felder zur Selbstverwirklichung und zur Mitgestaltung in einem projektorientierten, zeitlich befristeten Engagement.

Das Verständnis von Ehrenamt und Freiwilligenengagement im Kolpingwerk

Im Kolpingwerk hat das ehrenamtliche Engagement bzw. das Freiwilligenengagement eine lange Tradition. Aus Anlass des durch die Vereinten Nationen beschlossenen Jahres des Ehrenamtes 2001 hat KOLPING INTERNATIONAL für sich das Ehrenamt folgendermaßen definiert: „Ehrenamtliches Engagement ist der unentgeltliche, freiwillige Einsatz von Einzelnen für eine gemeinwohlorientierte Aufgabe, die in der Freizeit stattfindet. Ehrenamtliches Engagement kann dabei sowohl die Übernahme einer konkreten Aufgabe sein, die Ausdruck von Nächstenliebe ist und die Hilfe von Mitmenschen in einer konkreten Notsituation zum Ziel hat, wie aber auch die Übernahme einer auf längere Frist hin angelegte Aufgabe in einer Organisation, die sich gemeinwohlorientierte Aufgaben zum Ziel gemacht hat.“

Die Bedeutung und der Stellenwert des Ehrenamtes im Kolpingwerk

Im Kolpingwerk hat das Ehrenamt oder das ehrenamtliche Engagement als Ausdruck der Freiheit und Würde des Menschen und seiner Mitverantwortung für die Lösung gemeinwohlorientierter Aufgaben immer eine große Bedeutung gehabt. Dabei hat das Kolpingwerk die Erfahrung gewonnen, dass die ehrenamtliche Übernahme von Verantwortung für sich selbst, für Personen und Dinge, für das Gemeinwesen und die Gesellschaft immer spezifische Lern-, Bildungs- und
Entwicklungschancen eröffnet, die die Persönlichkeit des ehrenamtlich Handelnden stärken und ihm ein größeres Selbstvertrauen vermitteln. Neben diesen persönlichen Perspektiven für den ehrenamtlich Handelnden versteht es das Kolpingwerk aber auch als bürgerschaftliche Pflicht, sich aktiv im Sinne des Gemeinwohls zu engagieren.
Das Kolpingwerk setzt daher auf allen Ebenen in starkem Maße auf ehrenamtliches Engagement sowohl im Hinblick auf die Besetzung von Führungsämtern, wie auch bei der Durchführung konkreter verbandlicher Initiativen und Aktionen. Vor diesem Hintergrund ist das Kolpingwerk – wie alle zivilgesellschaftlichen Verbände – darauf angewiesen, immer wieder Freiwillige für eine ehrenamtliche Mitarbeit zu gewinnen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich das Kolpingwerk den neuen und zum Teil veränderten Voraussetzungen für ein Freiwilligenengagement stellt.

1. Unterschiedliche Lebensstile brauchen unterschiedliche Zugänge zur ehrenamtlichen Arbeit
Der von jedem Individuum gewählte Lebensstil und die aktuelle Lebensphase, in der eine Person steht, haben entscheidende Auswirkungen darauf, welche Art von ehrenamtlichem Engagement eine Person attraktiv findet und wie ihre Beweggründe und Bedingungen zur Mitarbeit aussehen. Wenn das Kolpingwerk das unter seinen Mitgliedern vorhandene Potential von ehrenamtlicher Mitarbeit nutzen will, muss es immer wieder neue und verschiedenartige Wege finden, wie dieses Potential ausgeschöpft werden kann. Dabei muss es sowohl für kurzfristige projektorientierte Einsätze Angebote geben wie auch für ein längerfristiges Engagement beispielsweise durch die Übernahme von Leitungsaufgaben.

2. Kolping pflegt eine Kultur der Vielfalt der Charismen

Die Mitglieder im Kolpingwerk haben unterschiedliche Neigungen, Begabungen und Fähigkeiten, die bei der Ausgestaltung von Angeboten des Freiwilligenengagements berücksichtigt werden können und müssen. Um möglichst viel vorhandenes Potential an Freiwilligenarbeit zu nutzen oder auch Nichtmitgliedern anbieten zu können, pflegt die Kolpingsfamilie eine Auflistung von Aufgaben, die durch ehrenamtliches Engagement im Sinne des Kolpingwerkes aufgegriffen
werden könnten. Jede Kolpingsfamilie sollte so etwas wie eine Ehrenamtsbörse sein. Damit die Mitglieder ihre sicher unterschiedlichen Talente und Charismen auch als Möglichkeit zu ehrenamtlichem Engagement verstehen, muss im Kolpingwerk auf allen Ebenen eine Atmosphäre der Offenheit gepflegt werden, die unterschiedliche Talente für unter-
schiedliche Aufgaben fördert und einsetzt.

3. Ehrenamtliches Engagement bedarf der Qualifizierung

Ehrenamtliches Engagement im Kolpingwerk und in der Gesellschaft wird mit immer höheren Anforderungen konfrontiert. Daher ist das Kolpingwerk gefordert, seine Mitglieder für ihr ehrenamtliches Engagement zu qualifizieren. Das Qualifizierungsangebot sollte sich dabei sowohl darauf richten, die ehrenamtlich Tätigen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken, wie auch, sie mit notwendigen Fachkenntnissen für das jeweilige ehrenamtliche Engagement zu qualifizieren. Die Weiterentwicklung persönlicher und sozialer Schlüsselkompetenzen sollte nach Möglichkeit durch Zertifikate bestätigt werden.

4. Kolping bemüht sich um eine Kultur der Anerkennung

Ehrenamtliches Engagement braucht Anerkennung und Wertschätzung. Im Kolpingwerk muss daher eine Kultur der Anerkennung entwickelt werden, die durch angemessene und sichtbare Formen zum Ausdruck gebracht wird. Eine zentrale Form der Anerkennung stellt der Respekt für die erbrachten Leistungen und Erfahrungen des Ehrenamtlichen dar. Dies wird vor allem auch dadurch erreicht, dass der Ehrenamtliche von den Mitgliedern und Führungskräften anderer Ebenen eine Resonanz auf seinen ehrenamtlichen Einsatz erfährt und dieser Einsatz für ihn erkennbar bemerkt und gewürdigt wird.

5. Ehrenamtliches Engagement bedarf angemessener gesellschaftlicher Rahmenbedingungen

Das Kolpingwerk sieht eine Aufgabe darin, sich für gesellschaftliche Rahmenbedingungen einzusetzen, die es Frauen und Männern gleichermaßen ermöglichen, neben ihrer Erwerbs- und Familienarbeit ehrenamtlich tätig zu sein. Regierungen sind gefordert, durch eine subsidiär angelegte Politik die notwendigen Frei- und Spielräume für ein ehrenamtliches Engagement zu schaffen, um damit auch der Zivilgesellschaft entsprechende Mitgestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Durch eine solche Politik erfolgt eine neue Machtbalance zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Beschlossen durch die Kontinentalversammlung des Europäischen Kolpingwerkes am 1. Mai 2011 in Krakau / Polen.

Freitag, März 07, 2014

Effizient führen - so stärken und motivieren sie die Mitglieder ihrer Feuerwehr

Heute stellen wir ein neues Buch für ehrenamtliche Arbeit bei der Feuerwehr und werben dafür. Die nachfolgenden Rezension haben wir aus dem Feuerwehrblog übernommen. Wer sich den Ansehen will schaue bitte hier nach:


Hier das Buch



Und hier der Text zum Buch aus dem Blog:

Eine Mannschaft, die am Einsatzort macht, wonach ihr der Sinn steht, oder eine Führungskraft, die sich nicht durchzusetzen vermag, oder ein Führender, der sich in monarchistisch-willheministischer Autoritätsperspektive wiedererkennt, oder eine Führungsstruktur, die, zwar auf dem Papier steht, jedoch nicht gelebt wird, das sind die Ingredienzien für Demotivation und mangelnden Zielerreichungsgrad im Einsatz sowie der Einstieg in eine Stresskarriere. Nicht umsonst lautet ein Sprichwort, der Fisch stinkt vom Kopf her.
In den letzten Jahren berichteten die Tageszeitungen nicht selten über Verwerfungen, Rücktritte und Proteste in Feuerwehren, auch hauptamtliche, deren Ursache bei der Art der Führung liegt. Dabei lassen sich Probleme relativ leicht aus der Welt schaffen, wenn die Regeln und Mechanismen der Menschenführung bekannt sind, die persönliche Eignung eine Rolle bei der Besetzung von Führungsposten spielt und organisatorische Vorgaben Beachtung finden.

Effiziente Führung – Schritt für Schritt

Ausgehend von der Feuerwehr-Dienstvorschrift 100, konstatiert Ott, dass diese für sich genommen alle Facetten der Führung beschreibt – allerdings nur in der Theorie. In der Praxis gibt es Probleme, deshalb sei Führung mehr, als nur Zielerreichung, sondern beinhalte auch Motivation. Die Konzentration auf technische Spielereien reicht zum Führen nicht aus. „Technik, Taktik, Verhalten und Motivation sind Aspekte, die Führungskräfte bei ihrer Tätigkeit sinnvoll verknüpfen müssen.“ (S. 6)
„Effizient führen“ gliedert sich in vier Teile, die sich aufeinander beziehen. Die ersten beiden Abschnitte richten den Blick nach innen. In „Verhalten“ geht es um Psychologie und Kommunikationstheorie, Motivation und Bedürfnisbefriedigung, Stress und Stressoren sowie Gruppendynamik und Rollen. Das Kapitel „Einstellung“ beinhaltet die Auseinandersetzung und Einschätzung mit sich selbst und anderen, Stressabbau, Work-Life-Balance, Fragetechniken, Kommunikationsregeln, Führungsstile und deren Grundprinzipien, Selbstmanagement und Erkennen und Beherrschen von Konflikten.
Der Paragraf „Organisatorisches“ richtet den Blick nach außen und stellt die Strukturen und Rahmenbedingungen dar, die Führung braucht und die eine Führungskraft kennen muss. Ott gibt den didaktischen Hintergrund wieder, der hinter den Regeln der FwDV 100 steht, und begründet die bei der Feuerwehr vorherrschende Organisationsform. Zugleich zeigt er organisatorische Grenzen des Führens und erklärt in diesem Kontext Führungsstufen, Sachgebiete und die Führungskräftekennzeichnung.
Schließlich behandelt der Abschnitt „Methoden und Medien“ den Führungskreislauf, taktische Varianten, Arten von Anweisungen, Lageerfassung und –darstellung, Nutzung von Entscheidungshilfen sowie den Zusammenhang von Führungsstufe und Fahrzeugbeschaffung.

Verständliche Darstellung

Die bunte und lockere Gestaltung mit vielen Schaubildern und farbigen Grafiken macht das Buch gut lesbar und führt zu einem besseren Verständnis des Geschriebenen. Kernaussagen des Textes sind in einer eigenen Infobox abgegrenzt und farblich hervorgehoben. Ott gibt Anregungen für praktische Übungen z.B. rund um das Thema Kommunikation oder Gruppendynamik. Er untermauert seine Ausführungen mit passenden Beispielen aus dem Alltag oder dem Feuerwehrleben. Besonders hervorzuheben ist, dass er konkrete Handlungsanweisungen gibt, z.B. hinsichtlich des Umgangs mit verschiedenen Gruppenrollen. Am Schluss bietet Ott Arbeitshilfen wie z.B. Checklisten oder Regellisten für gute Kommunikation.
Was Ott mit dem Exkurs über das nordamerikanische ICS-System und dem Vergleich mit der FwDV 100 bezweckt, erschließt sich nicht ganz, zumal er zum Ergebnis kommt, dass beide ähnlich sind.

Fazit

Ott betrachtet das Thema Führung universeller, nicht nur aus der Perspektive des Subjekts, sondern bezieht Aspekte zur Organisation und äußeren Führungsstrukturen in seine Darstellung mit ein. Er zeigt, wie Führung funktionieren sollte. Aus diesem Grund dominiert in der zweiten Hälfte des Buches die Darstellung der FwDV 100, allerdings durchsetzt und begründet mit psychologisch-kommunikativen Erkenntnissen und Verweisen auf die vorhergehenden Kapitel. Führung hat immer zwei Seiten, eine soziale Komponente und äußere, unveränderbare Bedingungen, deren Kenntnisse einer Führungskraft jedoch nützen. Für Ott entscheidende, und sich verstärkende Faktoren für den Führungs- und Einsatzerfolg, die sich auch in den Kapiteln des Buches widerspiegeln, sind Technik und Taktik, Organisation der Führung und der Einsatzstelle, Motivation und das Verhalten von Führungskräften und Helfern sowie die eigene Einstellung.
Als praxistauglichen Einstieg in dieses komplexe, von zwischenmenschlichen und organisationssoziologischen Elementen geprägte Beziehungssystem bietet Matthias Ott mit seinem Buch „Effizient führen“ einen übersichtlichen und leicht verständlichen Ratgeber, der helfen will, Stressoren abzubauen und der Führung aus kommunikationspsychologischer Perspektive fassbar und begreifbar macht. Das Buch richtet sich explizit an werdende, neue und langjährige Führungskräfte – denn Führungskraft zu werden ist einfacher, als diese Rolle mit Leben zu füllen – und soll ihnen Methoden an die Hand geben besser zu führen.
Otts Forderung, Führung spezieller hinsichtlich der sozialen Komponenten auszubilden, mag einleuchtend sein, für einen ehrenamtlichen Helfer, der zwischen Beruf und Familie steht, würde dies ein unwillkommenes Mehr an Ausbildung bedeuten. Nicht umsonst betont Ott, dass der „kritische Umgang mit der eigenen Person und das Hinterfragen des eigenen Verhaltens“ (138) am Beginn stehen sollten.
Der wichtigste Satz des Buches am Schluss: „Jede Führungskraft ist … gut beraten, nicht alleine davon auszugehen, dass Helfer in Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus purer Lust am helfen ihren Dienst verrichten" (S.14)